Andrea/ Juli 19, 2016/ Events, Pride/ 0Kommentare

Ein wunderschöner Tag in Wien – ein paar dekorative, strahlend weisse Wolkentürme am Himmel, dazu viel Sonnenschein… picture-perfect, genau wie das spektakuläre Himmelsschauspiel des Vorabends – die perfekte Ouverture zum Höhepunkt des diesjährigen Vienna Prides: even the sky approves.

 

Es verspricht ein warmer Tag zu werden. Es ist der Vormittag des 18. Juni 2016, dem Tag der 21. Wiener Regenbogenparade und im Regenbogenpark im Sigmund-Freud-Park bei der Votivkirche hat das bunte Treiben schon längst begonnen. Business as usual, möchte man fast meinen – die Regenbogenparade ist mittlerweile zum lauten, bunten und vor allem festen Bestandteil des Wiener Sommers geworden. Und doch ist dieses Jahr etwas anders. Und nein – damit meine ich nicht, dass dieses Jahr der Ring nicht wie üblich „andersrum“ beschritten wird, sondern dank der Jesusdemo (- Jesusdemo!) ausnahmsweise in Fahrtrichtung. Mitten im Regenbogenpark nämlich, irgendwo zwischen den Ständen von HOSI und den NEOs, beginnt sich eine kleine Gruppe bunter Menschen zu sammeln und langsam grösser zu werden, eine Gruppe die sich in dieser Form noch niemals zuvor bei einer Regenbogenparade in Wien versammelt hat. Bunt an sich und trotzdem irgendwie uniform in schwarzen und weissen T-Shirts mit einem grossen, unübersehbaren rosalilablauen BI vorne aufgedruckt und den unmissverständlichen Hinweisen „I DO EXIST“ und „NOT A MYTH“ am Rücken. Am Boden vor ihnen ein 3 Meter langes und 1 Meter breites Banner in leuchtendem Rosalilablau, das gerade fachmännisch mit Draht auf extra mitgebrachte Holzstangen montiert wird.

 

SOME PEOPLE ARE BI. GET OVER IT. Unter diesem Motto gibt es heuer nämlich endlich den allerersten Beitrag einer bi*-Gruppe bei der Wiener Regenbogenparade – und wir, die Mitglieder von visiBIlity Austria, die im Vorfeld viel Zeit und Geld und Arbeit und vor allem Begeisterung und Team Spirit in die Sache gesteckt haben, sind sichtlich stolz darauf, unsere Message unter unserem Banner und einer grossen selbstgenähten Flagge in unseren Farben in die Welt hinauszutragen – sehr gut sichtbar für alle. Mit der ausgezeichneten Startnummer 26 stehen wir am Start hinter den LGBTI Lehrer*Innen und vor der QUEERBASE und…

…nehmen unseren Platz ein.

…machen uns sichtbar.

…beziehen Stellung.

Und los geht’s! Für viele von uns völlig unerwartet finden wir uns plötzlich ganz alleine in einem abgesperrten Bereich wieder – mit so vielen Menschen um uns herum, einer Unmenge an Fotografen, die uns von allein Seiten ablichten – und unter dem (hoffentlich nicht allzu) kritischen Auge einer Jury, die unseren Beitrag beurteilt. Wie aufregend! Und dann wird losmarschiert. Unsere Gruppe ist ca. 30 Menschen stark und viele haben einen Stapel unserer extra angefertigten Flyer in der Hand, die wir überraschend einfach unter die Leute bringen. Nach einer relativ kurzen Strecke gehen uns die Flyer tatsächlich komplett aus, was ärgerlich ist – haben wir doch eine ganze Kiste davon im Regenbogenpark stehen. Mit so viel Interesse haben wir wohl gar nicht gerechnet und haben leider viel weniger mitgenommen, als wir sicher losgeworden wären – und dann ist auch noch das vielleicht doch nicht so ganz fachmännisch montierte Banner von seinen Stangen gefallen und musste in Händen weitergetragen werden. Das war’s dann aber auch gottseidank mit den kleinen Pannen.

Kommentare haben wir beim Gehen einige aufgeschnappt – die meisten waren sehr erfreulich und durchwegs positiv, es haben sich wohl viele Menschen in uns wiedererkannt, die bis jetzt auf der Parade noch nie offiziell wahrgenommen oder repräsentiert wurden. Entsprechend hatten wir auch einigen Zulauf in unserer Facebook Gruppe und durften auch einige neue Gesichter beim darauffolgenden Stammtisch am 5. Juli im Das Gugg begrüssen. Das von mir selbst gehörte negativste Kommentar kam von einem schwulen Pärchen, das sich unser Banner genau anschaute und dann relativ geringschätzig und mit einem Augenrollen meinte: „Na gut, dann simma halt tolerant.“ Eine bessere Illustration des altbekannten Problems, dem wir Bi*s immer wieder ausgesetzt sind, gibt es wohl kaum, oder? Wir werden vielleicht toleriert… und heisst toleriert werden nicht eigentlich nichts anderes, als dass man zwar hingenommen wird, aber in Wahrheit nicht wirklich dazugehört?

Die diesjährige Schweigeminute war für mich, die Artikelschreiberin, etwas ganz Besonderes – war die Letztjährige immerhin mein persönlicher Auslöser dafür, visiBIlity Austria überhaupt ins Leben zu rufen, habe ich bei Conchita Wursts Gedenkworten doch vergeblich auf die Erwähnung des B gewartet. Tatsächlich war nur die Rede von der „LGTI-Community“. Nicht so dieses Jahr – ganz deutlich war das B zu hören, ganz deutlich galt die Schweigeminute der LGBTI-Community! Yes!

Und da sind wir nun also – seit September 2015 Teil der Statuten der HOSI Wien, seit Juni 2016 fortan fixer Bestandteil der Regenbogenparade in Wien, seit Sommer letzten Jahres eine lebendige und aktive Community in Wien, nicht mehr zu übersehen und zu ignorieren!

Die 21. Regenbogenparade war ein erster grosser Schritt in die richtige Richtung, ein aufregender, der uns alle noch näher zusammengebracht hat, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und ganzheitlichen Verstandenwerdens ganz arg verstärkt hat.

Ach, und das kritische Auge der Jury? Hat uns immerhin Platz 10 von 24 in der Wertung der Fußgruppen eingebracht. Das ist amazeballs – muss aber nächstes Jahr getoppt werden!

Wenn ihr uns bei der Parade gesehen habt und noch am Überlegen seid, zu einem unserer Treffen zu kommen – es gibt keinen Grund, schüchtern zu sein. Gebt Euch einen Ruck und schaut vorbei, jeden ersten Dienstag im Monat im Das Gugg in der Heumühlgasse 14, 1040 Wien ab 19 Uhr.


Zusätzlich findet Ihr uns auf Facebook in der geschlossenen visiBility Austria Gruppe. Die Gruppe ist der Ort, an dem die Community stattfindet – dort findet Ihr viele anregende Diskussionen und wertschätzenden Austausch in geschütztem Rahmen und ohne Einblicke der Öffentlichkeit. Ihr müsst nämlich selbstverständlich nicht komplett out sein… oder überhaupt out sein, um bei uns mitzureden und Teil der Community zu werden! Postings/Likes/Kommentare innerhalb der Gruppe bleiben auch genau dort: innerhalb der Gruppe. visiBIlity ist das Ziel – nicht die Voraussetzung. Wir gehen mit jedem Stadium an persönlicher Sichtbarkeit absolut respektvoll um.


Wir haben noch viel vor – und nur gemeinsam sind wir stark!

 

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